Kämpfst du mit zu vielen Entscheidungen?

Seit Jahrhunderten haben wir Menschen den festen Glauben, dass mehr Freiheit immer zu mehr Wohlbefinden führt. Freiheit macht glücklich. In einer Welt, in der viele Grundrechte nicht erfüllt sind und man kaum von persönlicher Freiheit sprechen kann, ist das auch zweifellos der Fall. Doch wir in der westlichen Welt sind in der glücklichen Lage, Freiheit im Überfluss zu genießen und trotzdem kämpfen immer mehr Menschen mit psychischen Problemen und hinterfragen den Sinn des Lebens. Kann es also sein, dass unsere Glaubenssätze in Bezug auf Freiheit verzerrt sind?

Bereits im Artikel “12 Paradoxa die dein Leben verändern” habe ich bei Nummer 10 das sogenannte “Paradox of Choice”, also das Paradoxon der Wahlmöglichkeiten, kurz beschrieben. Doch diese Erkenntnis hat derart hohen Einfluss auf unser Leben, dass sie verdient in einem eigenen Artikel behandelt zu werden.

Das Dogma der Freiheit

Es ist vollkommen normal für uns, dass es als erstrebenswertes gesellschaftliches Ziel gesehen wird, die Freiheit jedes Individuums zu maximieren. Wir glauben, dass mehr Freiheit und Möglichkeiten immer auch mehr Wohlbefinden mit sich bringen.

Und wie erreichen wir mehr Freiheit? Durch mehr Wahlmöglichkeiten. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch definitiv richtig. Doch mittlerweile haben wir bei jedem Produkt und jeder Dienstleistung tausende verschiedene Möglichkeiten. Selbst in wirklich wichtigen Bereichen wie der Gesundheit. Beim Arzt bekommt man oft mehrere Behandlungsmöglichkeiten präsentiert, auch wenn du natürlich als Leihe nicht wirklich eine Meinung dazu hast. Du würdest einfach gerne wissen, was der Arzt machen würde, wenn er oder sie in deiner Situation wäre.

Die zahlreichen Möglichkeiten führen auch unweigerlich zu mehr Entscheidungen im Alltag.

Ich bin auch der Meinung, dass Freiheit ein hoch erstrebenswertes Gut ist, allerdings müssen wir lernen mit dieser Freiheit umzugehen. Jeder kennt die Vorteile von mehr Wahlmöglichkeiten. Deshalb beschränke ich mich hier auf die negativen Aspekte und was wir dagegen tun können.

Das Paradoxon der Wahlmöglichkeiten

Früher gab es nur eine Art von Jeans, die beim Kauf vollkommen unangenehm zu tragen war. Nachdem man sie mehrere Wochen getragen hat und ein paar Mal gewaschen hat, passte sie sich an und der Tragekomfort war zumindest OK.

Wenn man heute eine Jeans kaufen möchte, hat man unzählige Möglichkeiten. Slim fit, Skinny fit, Relaxed Fit? Button-Fly oder Zip-Fly? Stone-Washed oder Acid-Washed? Distressed, tailliert, mit oder ohne Stretch-Anteil?

Nur ein kleiner ausgewählter Kreis von Menschen weiß, welche Jeans genau für einen passt. Das macht die Entscheidung per se schon unangenehm. Zu viele Möglichkeiten führen oft dazu, dass wir uns gar nicht entscheiden.

Wenn wir tatsächlich einige anprobieren und uns für eine entscheiden, haben wir mit Sicherheit eine besser passende Jeans gefunden, im Vergleich zu früher, als es noch nicht so viel Auswahl gab. ABER, wir sind trotzdem unzufriedener mit unserer Entscheidung. Bei so viel Auswahl steigen nämlich natürlich auch unsere Erwartungen.

Außerdem kommt hier das klassische ökonomische Konzept der Opportunitätskosten ins Spiel. Wenn ich 5 Wahlmöglichkeiten habe und mich für eine entscheide, gebe ich nur 4 andere auf. Habe ich allerdings 100 Möglichkeiten, gebe ich bei meiner Entscheidung 99 andere auf. Das führt unweigerlich dazu, dass man sich hinterher fragt, ob es die richtige Entscheidung war und nicht eventuell eine andere Option besser gewesen wäre.

Obwohl die gewählte Option durch die große Auswahl vermutlich objektiv besser ist, sind wir damit unzufriedener. Denn wenn man nicht 100 prozentig zufrieden mit der Wahl ist, stehen die Chancen gut, dass unter den 99 anderen auch noch eine bessere gewesen wäre. Dadurch bereuen wir viele unserer Entscheidungen, auch wenn es eigentlich gute Entscheidungen waren.

Der amerikanische Psychologe Barry Schwartz beschreibt in einem der ersten veröffentlichten TED Talks genau dieses Paradoxon. Er hat auch einen Bestseller mit genau diesem Namen geschrieben “The Paradox of Choice: Why more is less” und wenn du mal 20 Minuten Zeit findest kann ich dir den TED Talk enorm empfehlen. Die Aussage des Vortrags ist großartig und auch die rhetorischen Fähigkeiten von Barry Schwartz sind bemerkenswert: “The paradox of choice | TED“. Das erklärt wahrscheinlich auch warum der Vortrag auf der TED Website bereits über 16 Millionen Mal geschaut wurde.

Gewohnheiten ermöglichen den Fokus aufs Wesentliche

Der amerikanische Philosoph und Psychologe William James sagte, dass jene Menschen am meisten zu bemitleiden sind, die jede Entscheidung immer wieder treffen müssen.

Wie bereits in so vielen Artikeln beschrieben, sind Gewohnheiten ein unheimlich wichtiger Teil unseres Lebens. Sie sind bis zu einem gewissen Grad automatisiert und wir machen uns keine Gedanken mehr darüber. Deshalb ist es auch so wichtig, dass sie uns langfristig in die Karten spielen und nicht unser Leben unnötig schwerer machen. Zwei absolute Must-Reads zu dem Thema sind: “Die Macht der Gewohnheit” von Charles Duhigg und “Die 1%-Methode” von James Clear.

Zentrale Entscheidungen

Es ist Gold wert, wenn man Entscheidungen findet, die andere Entscheidungen überflüssig machen. Ein prominentes Beispiel dafür war Steve Jobs. Er trug immer einen schwarzen Rollkragenpullover und blaue Jeans. Die Entscheidung das zu tun befreite ihn von so vielen weiteren Entscheidungen. Er musste sich keine Gedanken machen, welche neuen Outfits er kaufen könnte und musste sich in der Früh nie entscheiden was er anziehen soll.

Mir geht es in meiner Arbeit ähnlich, da ich immer einen Anzug trage. Für viele wäre das unangenehm, aber für mich ist es eine Entscheidung weniger am Tag. Ich muss mir keine Gedanken machen, was ich anziehe. Ich rotiere einfach meine drei Anzüge mit meinen sechs Hemden durch.

Aus dem Grund bin ich auch ein großer Fan von meinem Frühstücksshake. Seit Jahren frühstücke ich, bis auf wenige Ausnahmen, jeden Tag das selbe. Der Shake ist super gesund und er ist für mich schon eine absolute Gewohnheit. So muss ich mir nie Gedanken machen, was ich morgen frühstücken könnte. Wie dieser Shake genau aussieht habe ich im Artikel “Mein gesundes Frühstück” beschrieben. Ich mache immer nur kleine Abänderungen wie beispielsweise, dass ich ihn derzeit mit Wasser anstatt Milch trinke und Flohsamen dazugebe.

Auch durch die Entscheidung keinen Alkohol zu trinken, fallen viele zukünftige Entscheidung weg. Ich brauch mir keine Gedanken zu machen, ob ich 3 oder 5 Bier trinke und wie ich in der Nacht nachhause komme, da ich sowieso einfach mit dem Auto fahren kann. Ich glaube auch, dass es bei mir persönlich einfacher ist nichts zu trinken als wenig. Denn wenn ich versuchen würde nur wenig zu trinken, würde trotzdem immer wieder die Aufforderung kommen zumindest noch ein Bier mitzutrinken. Die Frage stellt sich bei mir gar nicht, da mittlerweile alle meiner Freunde und Familie wissen, dass ich nichts trinke.

Wie gesagt gibt es natürlich tausende Gründe warum Freiheit und Wahlmöglichkeiten gut für uns sind. Dieser Artikel soll nur zeigen, dass mehr nicht immer besser ist und wie wir mit dieser grenzenlosen Freiheit umgehen können.

Gewohnheiten und grundlegende Entscheidungen die viele zukünftigen Entscheidungen wegfallen lassen sind dabei großartig. Dabei musst du schauen was dir wichtig ist und worauf du Wert legst. Wenn du beispielsweise viel Wert auf Mode legst, ist für dich die Lösung von Steve Jobs definitiv nicht optimal. Wenn dir allerdings wie bei mir Alkohol nicht wichtig ist und Gesundheit hingegen schon, kann eine zentrale Entscheidung, wie keinen Alkohol zu trinken, dein Leben erleichtern.

Such dir bewusst Bereiche in deinem Leben, in denen du deine Zukunft leichter gestalten kannst.

Um dir bei der Entscheidung zu helfen, welches der Millionen Bücher weltweit du lesen solltest: Ich habe vor kurzem die Autobiographie von Andre Agassi gelesen und es war wirklich schwer das Buch wegzulegen. Also eine klare Empfehlung:

Open – Andre Agassi

Abschließend noch ein Zitat von William James:

“The art of being wise is the art of knowing what to overlook.”

Hier eine Bücherliste, falls du auf der Suche nach neuen Büchern bist. Wenn du noch nie Hörbücher probiert hast, kann ich dir das Probeabo von Audible empfehlen. Kostet nichts, ist jederzeit kündbar und du kannst dir das Buch auch nachher noch behalten.

Über eine Anmeldung zum Newsletter würde ich mich enorm freuen.


Beitrag veröffentlicht

von