Wie Du deinen Perfektionismus für Dich nutzt

Vor Kurzem bin ich auf das Buch “How to Be an Imperfectionist: The New Way to Self-Acceptance, Fearless Living, and Freedom from Perfectionism” von Stephen Guise gestoßen. Ein Hang zum Perfektionismus hat mich mein Leben lang begleitet und deshalb ist es definitiv ein Bereich in dem ich viel lernen kann. Trotzdem bin ich überrascht, wie sehr mir die Ideen aus dem Buch bereits in kurzer Zeit geholfen haben. Ich weiß genau wie schwer es ist, den Perfektionismus abzulegen und vollständig habe ich das auch mit Sicherheit noch nicht getan. Doch einen einzigen Schalter in meiner Denkweise umzulegen, hat mich bereits in verschiedensten Bereichen weitergebracht.

Die Ausgangslage

Perfektionismus muss sich nicht immer auf all deine Lebensbereiche auswirken. Die einen sind perfektionistisch in Bezug auf Sport und Ernährung, andere bezüglich der Einrichtung der Wohnung. Diese Bereiche sind bei mir auch leicht betroffen, allerdings wirkt sich der Perfektionismus bei mir persönlich im Bereich Ausbildungen und Noten am stärksten aus.

In der Schule war nur eine 1 gut genug. Im Studium dachte ich mir, dass das Level ein anderes sein wird und bei den ersten schlechteren Noten kann ich diese Denkweise ablegen. Falsch. Denn als die ersten Prüfungsergebnisse ebenfalls sehr gut waren, wollte ich das natürlich fortführen. Selbst in Fächern, in denen ich kaum einen Sinn gesehen habe, investierte ich Unmengen an Zeit, für ein gute Note.

Es war mir bewusst, dass das nicht der effizienteste Weg ist, um meine Ziele zu erreichen. Zumindest ist die Einsicht ja bekanntlich der erste Schritt. Trotzdem war ich besessen davon, alles perfekt zu machen. Selbst bei Prüfungen, in denen ich die angestrebte 1 erreichte, erinnere ich mich jetzt noch an die wenigen Fehler, die auf 100% fehlten.

Es gibt also nie ein zu erreichendes Ziel. Es handelt sich immer um eine gewisse Spanne und man versucht so nahe wie möglich ans obere Ende der Spanne, also 100% zu kommen.

Das zieht sich in vielen Lebensbereichen durch und bestimmt erkennst du diese Denkweise in einem deiner Lebensbereiche.

Ich habe zumindest so weit an mir gearbeitet, dass ich immer Neues probiere, auch wenn es unangenehm ist. Doch der Perfektionismus war immer mit dabei.

Nur das absolute Minimum zu tun und immer den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, war für mich nie eine Option. Der Meinung bin ich auch heute noch und ich glaube Herausforderungen sind ein essentieller Bestandteil für ein gesundes und glückliches Leben.

Allerdings besteht für einen Perfektionisten sowieso selten die Gefahr zu wenig zu tun. Wir messen uns selbst an hohen Standards. Wir müssen lernen wie uns diese hohen Standards nicht belasten und vielmehr führ uns arbeiten.

Binäres Mindset

Bei vielen spannenden Ansätzen im Buch “How to Be an Imperfectionist” ist die Idee des binären Mindsets wohl die wichtigste für mich. Du kennst das binäre System vielleicht vom Computer der auf 0 und 1 basiert. Der Schalter ist entweder an oder aus. Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten.

In Bezug auf unsere Denkweise geht es darum, die zuvor angesprochene Spanne von 0-100 abzulegen. Das Ziel ist nicht mehr 100% zu erreichen. Das neue Ziel ist lediglich, dass du die Zeit und die Arbeit investierst.

Ein Beispiel dafür wäre jeden Tag eine halbe Stunde zu lernen. Das läuft manchmal besser und manchmal schlechter. Doch wann immer du die halbe Stunde investierst ist es eine 1, also ein Erfolg, wenn nicht ist es eine 0.

Unsere hohen Standards sollten sich dann nur darauf beziehen, ob wir die Zeit investieren bzw. den Schritt gesetzt haben. Der Outcome steht außerhalb unserer Kontrolle und sollte deshalb auch nicht der Fokus unseres Handelns sein.

A short training is better than no training

Diese Denkweise hilft uns auch die schlechteren Tage zu nutzen und wir ziehen uns damit selbst aus dem Trott heraus. Hin und wieder hat man einfach wenig Energie oder ist unmotiviert. Da läuft ein Training vielleicht mal nicht wie gewünscht und wir setzen keinen persönlichen Rekord, doch auch ein Training mit 80 Prozent ist unendlich besser als gar kein Training.

Beim Krafttraining hatte ich das schon lange internalisiert. Das ist allerdings auch das, was ich schon tausende Male gemacht habe.

Wo es mich besonders weitergebracht hat, ist bei Ausdauer- oder Intervalltraining.

Oftmals schließe ich mein Krafttraining mit kurzen, knackigen Intervallen auf dem Airbike. 8×40 Sekunden mit 20 Sekunden Pause dazwischen. Keine lange Anstrengung, aber trotzdem grausam.

Viel zu oft, habe ich das Airbike komplett ausgelassen, weil ich mir eingeredet habe, zu erschöpft zu sein für 8 Durchgänge. Das binäre Mindset hat mir gezeigt wie lächerlich diese Rechtfertigung ist. Wenn ich nur 5 Durchgänge schaffe oder gar nur 2, ist das immer noch ein Gewinn. Jetzt konzentriere ich mich nur darauf, dass ich anfange. Es überhaupt getan zu haben ist die 1, das Airbike auszulassen die 0.

Selbes gilt fürs Laufen. Mein Hang zum Perfektionismus hat mich davon abgehalten Laufen zu gehen, wenn ich nicht hundertprozentig frisch war, da ich immer die Kilometerzeiten mit früheren Trainings verglichen habe. Jetzt liegt der Fokus nicht mehr auf den Kilometerzeiten, sondern darauf ob ich Laufen war oder nicht, 1 oder 0.

Was sich immer wieder gezeigt hat ist, dass man das Training in 90% der Fälle sowieso wie geplant durchzieht. Der wichtigste Schritt ist einfach anzufangen und da ist es Gold wert, unseren Perfektionismus abzulegen.

Stephen Guise schreibt: “Never forget this: It’s easier to change your mind and emotions by taking action than it is to change your actions by trying to think and feel differently.” Er hat beispielsweise auch die “One Push-up Challenge” ins Leben gerufen. Das Ziel ist nur mindestens einen Liegestütz pro Tag zu machen. Das geht sich auch an den stressigsten Tagen problemlos aus und du wirst sehen, wie du damit beinahe ohne Anstrengung fitter wirst und dich besser fühlst.

Grübeln bringt nichts

Immer wieder rufe ich mir den Satz von Seneca ins Gedächtnis: “We suffer more in imagination than we do in real life”. Wir leiden also mehr in unserer Vorstellung, als im echten Leben. Bestimmt hast auch du dir schon stundenlang den Kopf zerbrochen, vor einem unangenehmen Gespräch. Wir stellen uns Konflikt und Streit vor, nur um dann beim eigentlichen Gespräch festzustellen, dass es gar nicht so schlimm ist.

Wir zerdenken gewisse Dinge und spielen verschiedenste Szenarien durch. Dabei handelt es sich häufig sowieso um etwas, das sich nicht vermeiden lässt oder von dem wir wissen, dass es uns gut tut. Wenn es also weniger als 2 Minuten dauert, tu es sofort. Ohne viel darüber nachzudenken.

Stell die unangenehme Frage. Sprich das unangenehme Thema an. Das ist die 1, es aufzuschieben 0.

Bei mir waren es beispielsweise bestimmte Fragen bezüglich meines Karrierewegs, bei denen ich grübelte, ob sie vielleicht seltsam ankommen. Als ich die Fragen dann endlich stellte, erhielt ich bei allen positive und hilfsbereite Rückmeldungen. Das Grübeln war also umsonst. Die Fragen zu stellen hingegen war erleichternd und bereits ein Gefühl des Erfolgs.

Hier ein Zitat aus dem Buch, das den Nagel auf den Kopf trifft:

“Care less about results. Care more about putting in the work. Care less about problems. Care more about making progress despite them. Or if you must fix something, focus on the solution. Care less about what other people think. Care more about who you want to be and what you want to do. Care less about doing it right. Care more about doing it at all. Care less about failure. Care more about success. Care less about timing. Care more about the task. In general, the idea behind imperfectionism is to not care so much about conditions or results, and care more about what you can do right now to move forward with your identity and your life.”

Lass dich vom Perfektionismus nicht aufhalten und konzentriere dich aufs Tun. Aus “eines Tages” wird “Tag eins”.

Buchempfehlung

How to Be an Imperfectionist – Stephen Guise

Abschließend noch ein Zitat von George Leonard:

“To be a learner, you’ve got to be willing to be a fool.”

Hier eine Bücherliste, falls du auf der Suche nach neuen Büchern bist. Wenn du noch nie Hörbücher probiert hast, kann ich dir das Probeabo von Audible empfehlen. Kostet nichts, ist jederzeit kündbar und du kannst dir das Buch auch nachher noch behalten.

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